Arztgespräche, Zweitmeinungen und Selbstbehauptung im medizinischen Alltag
„Ich darf Fragen stellen – das ist mein gutes Recht“
Bis endlich klar war, dass sie unter dem Sjögren Syndrom leidet, musste Sarah unzählige Praxen aufsuchen und zig Untersuchen abwarten. Die ganze Zeit spürte die 35-Jährige, dass mit ihrem Körper etwas nicht. Einige Ärztinnen und Ärzten nahmen das nicht so richtig ernst, manche wollten sie gleich in die „Psycho-Schublade“ stecken. Doch die erfahrene Kommunikationstrainerin weiß gut, wie Patientinnen und Patienten mit solchen Situationen umgehen sollten. Im Gespräch mit „Meine Gelenkschmerzen“ erklärt sie uns ihre besten Strategien.
Das Video-Interview
Inhalte aus dem Interview
Sarah, du hast selbst viele Erfahrungen mit ärztlichen Gesprächen gemacht. Was empfiehlst du Menschen, die das Gefühl haben, dass ihnen im Gespräch nicht richtig zugehört wird?
Das kenne ich nur zu gut. Und oft merkt man es nicht sofort, sondern erst hinterher. Für mich beginnt ein gutes Arztgespräch deshalb schon vor dem eigentlichen Termin. Ich bereite mich vor, überlege mir, was ich sagen möchte, welche Fragen ich habe und auch, wie ich reagiere, falls der Arzt oder die Ärztin direkt mit einer eigenen Hypothese kommt, die nicht zu meinem Gefühl passt.
Wenn man merkt, dass man nicht richtig gehört wird, kann es helfen, eine zweite Person mit in das Gespräch zu nehmen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man zu zweit klarer bleibt, ruhiger reagiert und auch besser darin ist, sich nicht überrollen zu lassen. Besonders bei wichtigen oder schwierigen Terminen kann das eine große Unterstützung sein.
Wen sollte man zu so einem Termin mitnehmen? Muss das eine bestimmte Person sein?
Nein, das kann ganz individuell sein. Wichtig ist, dass ich der Person vertraue und dass sie mich gut kennt. Es kann eine Freundin sein, ein Familienmitglied oder auch eine Kollegin, mit der man ein gutes Verhältnis hat. Schön ist es, wenn diese Person gut zuhören und gegebenenfalls auch formulieren kann, was man selbst vielleicht gerade nicht so gut in Worte fassen kann.
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Viele Menschen trauen sich im Arztgespräch nicht, Fragen zu stellen oder zuzugeben, dass sie etwas nicht verstanden haben. Was hilft in solchen Momenten?
Ich würde immer dazu ermutigen, Fragen zu stellen. Denn am Ende bin ich es, die mit der Information oder der Behandlung weiterleben muss. Was hilft, ist aktives Zuhören also zum Beispiel das Gehörte noch einmal zusammenzufassen, um sicherzugehen, dass man alles richtig verstanden hat. So kann ich sagen: Ich würde das gern noch einmal wiederholen, nur um sicherzugehen, dass ich es richtig verstanden habe.
Außerdem hilft mir der Gedanke: Auch mein Gegenüber ist ein Mensch. Ich rede nicht mit einer übergeordneten Instanz, sondern mit jemandem, der mich unterstützen soll. Und wenn das Gespräch für mich nicht stimmig ist, habe ich jederzeit die Möglichkeit, mir eine andere Meinung einzuholen.
Was ist, wenn im Gespräch Druck entsteht? Zum Beispiel, wenn man direkt zu einer Entscheidung gedrängt wird oder sich überrumpelt fühlt?
Das kommt vor. Gerade bei Angeboten, die privat zu zahlen sind, oder wenn man sich unsicher ist, ob eine vorgeschlagene Therapie wirklich passt. Dann ist es wichtig, bei sich zu bleiben und die eigenen Bedürfnisse klar zu formulieren. Zum Beispiel kann ich sagen: Ich möchte mir das gern in Ruhe überlegen und melde mich, sobald ich soweit bin.
Es geht dabei nicht darum, jemanden zu beschuldigen oder zu sagen, ich fühle mich bedrängt. Viel hilfreicher ist es, ruhig und freundlich zu erklären, dass man noch Zeit zum Nachdenken braucht. Und wenn eine vertraute Person mit dabei ist, kann man sich auch nach dem Termin noch einmal gemeinsam austauschen.
Du hast selbst eine Erkrankung, bei der vieles noch nicht vollständig erforscht ist. Wie wichtig ist es deiner Meinung nach, eine zweite ärztliche Meinung einzuholen?
Gerade bei Erkrankungen wie dem Sjögren-Syndrom, wo es viele Graubereiche gibt, kann eine zweite Meinung sehr wertvoll sein. Nicht, weil ich meiner Ärztin oder meinem Arzt nicht vertraue, sondern weil eine weitere Perspektive oft mehr Sicherheit gibt.
Ich habe bisher erlebt, dass gute Ärztinnen und Ärzte sehr offen dafür sind. Ich sage dann einfach ehrlich: Ich würde gern noch eine weitere Meinung einholen, um ein klareres Bild zu bekommen. Das hat bisher immer funktioniert. Und selbst wenn ich das Gespräch darüber nicht führe, kann ich mir auch unabhängig einen weiteren Termin suchen. Ich bin nicht verpflichtet, das vorher anzukündigen, aber ich persönlich schätze Transparenz sehr.
Was hilft dir dabei, in solchen Gesprächen auf Augenhöhe zu bleiben, auch wenn man sich manchmal unsicher fühlt?
Ich versuche, mich in mein Gegenüber hineinzuversetzen. Ärztinnen und Ärzte sehen jeden Tag viele Patientinnen und Patienten. Sie arbeiten unter großem Zeitdruck und müssen oft in kurzer Zeit Entscheidungen treffen. Wenn ich mir das bewusst mache, hilft mir das, empathisch zu bleiben und das Gespräch nicht als Konfrontation zu sehen. Gleichzeitig darf ich meine eigenen Bedürfnisse ernst nehmen.
Wenn es trotzdem nicht passt, ist es völlig in Ordnung, sich eine andere Ansprechperson zu suchen. Auch das habe ich erlebt. Es ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Selbstfürsorge.
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